LUV und LEE Interview: Touristiker Bodo Janssen zur Lage bei Upstalsboom

In der aktuellen Ausgabe von LUV und LEE kommt in einem Interview Bodo Janssen, der Chef der Hotelgruppe Upstalsboom aus Emden, zur Wort. Der Nordwesten gehört zu den beliebtesten Tourismus-Destinationen in Deutschland. Durch die Corona-Pandemie sind auch in unserer Region Hoteliers und Pensionsbetreiber zum Warten verdammt. Entsprechend groß ist bei vielen die Unzufriedenheit. Bodo Janssen sieht die Corona-Krise als Chance. Im Interviewbezieht Janssen klar Stellung, nimmt seine Berufskollegen in die Pflicht und erklärt seine Pläne für Urlaub im Norden – auch im Umgang mit einem Virus.

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Upstalsboom betreibt an Nord- und Ostsee rund 70 Hotels und Ferienwohnanlagen. Janssen hat vor einigen Jahren bei der Unternehmensphilosophie die Werte und den Menschen in den Vordergrund gestellt. Jeder der 650 Mitarbeiter soll nach dem Willen ihres Chefs die Freiheit haben, sich persönlich weiterzuentwickeln. Auch in der Corona-Krise hat Janssen besonders den Blick auf die Menschen in seiner Arbeitswelt gerichtet.

Bodo Janssen leitet die Hotelgruppe Upstalsboom. Foto: Tim Rost
Bodo Janssen leitet die Hotelgruppe Upstalsboom. Foto: Tim Rost

LUV&LEE: Sie haben Ihr Unternehmen in den vergangenen Jahren regelrecht umgekrempelt. Haben Sie ein Bild, wie die Konkurrenz Sie wahrnimmt?

Bodo Janssen: Es ist schwierig, das flächendeckend zu beschreiben. Ich bekomme immer nur Einzelaussagen mit. Die reichen von Unterstützung und Anerkennung bis hin zu Ablehnung. Darüber hinaus gibt es auch Kollegen, die sich über unsere Philosophie lustig machen. Zumindest bis zum Zeitpunkt vor der Pandemie war das so. Mittlerweile sind wohl auch die letzten Kritiker verstummt, die gesagt haben, dass wir Schönwetterpiloten sind. Jetzt ist es unsere Unternehmenskultur, die uns besonders gut durch diese herausfordernde Zeit bringt.

Sie werden belächelt? Das klingt skurril.

Na ja, es hat etwas mit Vorstellungskraft zu tun. In dem Moment, wo die Menschen sich näher mit uns befassen, und in dem Moment, wo Menschen die Gelegenheit wahrnehmen, unsere Kultur zu spüren, dreht sich das Blatt dann schon. Ich glaube, dass diese Meinungen aus einer etwas oberflächlichen Sichtweise entstehen. Für uns ist das vollkommen in Ordnung und auch verständlich.

Wenn ich schreiben würde, dass Bodo Janssen der Vater des Erfolgs von Upstalsboom ist, würden Sie das unterschreiben? Spielt Ihre persönliche Vergangenheit eine Rolle beim Erfolg?

Zu einem geringen Teil. Ich würde mich eher mit der Aussage wohlfühlen, dass es nicht mein Verdienst ist. Ich bin für Entscheidungen verantwortlich. Das ist ein verhältnismäßig geringer Teil im Verhältnis zu den Einflüssen, die dafür verantwortlich sind, wie wir uns entwickelt haben. Die Zeichen der Zeit haben uns in die Karten gespielt. Wir sind Baumeister unseres Erfolges, aber das Baumaterial liegt nicht in unserer Hand. Ich konnte nur Entscheidungen treffen, die in die Rahmenbedingungen passen. Der Erfolg ist nicht nur mein Verdienst. Ich habe Impulse gesetzt und ich bin dankbar, dass diese Impulse auf fruchtbaren Boden gefallen sind.

Für einen Neuanfang in Ihrem Unternehmen haben Sie sich im Kloster mit sehr viel Ruhe Inspirationen geholt. Jetzt gibt es mit dem Hotel „Upleven“ in Wremen ein neues Konzept, das auf Ruhe und Entschleunigung setzt. Hängt die Entstehung des Konzeptes mit Ihren persönlichen Erfahrungen von Kraft durch Ruhe zusammen?

Wachstum und Entwicklung entstehen in der Stille. Das ist unabhängig von einer Erfahrung im Kloster. Wer Sport macht, weiß, dass der Muskel nicht wächst, wenn man trainiert, sondern nachts, wenn man schläft. Die Raupe wird nicht zum Schmetterling, während sie durch die Gegend krabbelt. Sie wird still und dann findet die Transformation statt.

Wir haben als Unternehmenszweck für uns formuliert, Menschen zu stärken. Wir wollen erreichen, dass sich Menschen psychisch und physisch wohlfühlen – ohne unnötige Einflüsse von außen. In unserem Hotel Upleven sind quasi all unsere Unternehmenswerte sichtbar, greifbar und erlebbar, sodass unsere Gäste davon profitieren. Hier sollen Menschen psychisch, physisch und sozial wachsen.

Wachstum ist ein gutes Stichwort. In 40 Jahren Upstalsboom ging es nach oben, Ihr Unternehmen ist gewachsen. 2020 kam Corona und wir haben aktuell noch nicht wirklich greifbare Perspektiven für den Tourismus. Geben Sie uns doch einmal einen Einblick in Ihr persönliches Coronajahr.

Ich habe mir neulich bei einem Vortrag unter Berufskollegen sicherlich keine Freunde gemacht. Ich habe gesagt: Die Hoteliers sollen aufhören zu jammern und sich über das zu beschweren, was sie ohnehin nicht beeinflussen können. Stattdessen sollen sie schauen, wo sie Möglichkeiten haben, etwas zu beeinflussen. Wenn ich an das Coronajahr 2020 zurückdenke, dann macht mich diese Krankheit in allererster Linie betroffen. Ich sehe die Einschränkungen bei unseren Mitarbeitern, die mich auch bedrücken. Wir haben allerdings sehr viel dafür getan, den Schmerz so gering wie möglich zu halten und sie beispielsweise bei Gesprächen mit Banken unterstützt; wir haben Sorgentelefone eingerichtet. Zudem haben wir die Coronaprämie gezahlt und so viel dafür getan, dass die Sorgen so gering wie möglich bleiben. Wir haben aber auch die Gelegenheit erkannt, die der Weiterentwicklung dient. Das letzte Jahr war zwar sehr unbequem, aber in der Entwicklung das mit Abstand wertvollste in den vergangenen zehn Jahren. Wir konnten wirtschaftlich betrachtet mit einem sehr guten Umsatz-Kostenverhältnis abschließen, weil jeder Verantwortung übernommen hat und wusste, was er zu tun hatte. Unterm Strich konnten wir 2020 für die Hotels mit höheren Ergebnissen verabschieden als das Jahr davor.

Im März 2020 waren wir darauf eingestellt, dass der zweite Lockdown kommen würde, und haben die Zeit genutzt. Wir entwickeln uns weiter, haben Start-up-Unternehmen in Form von Reiseveranstaltern gegründet, bauen unsere Konzern- und Markenkommunikation neu auf und investieren in die Hotels. In der Summe konnten wir die Krise durch die Pandemie als Chance im kulturellen und qualitativen Bereich nutzen.

Unter der Marke Upstalsboom werden an Nord- und Ostsee 70 Hotels und Ferienwohnanlagen betrieben. Foto: Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG
Unter der Marke Upstalsboom werden an Nord- und Ostsee 70 Hotels und Ferienwohnanlagen betrieben. Foto: Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG

Sehen Sie Corona als Chance für den Tourismus? Wie positioniert sich Upstalsboom innerhalb eines möglicherweise weiter steigenden Deutschland-Tourismus?

Ich glaube, dass der zunehmende Deutschland-Tourismus ein zeitlich begrenztes Phänomen sein wird- so lange, wie es in der Welt Unsicherheiten beim Reiseverkehr gibt. Ich bin sicher, dass die Nachfrage bei uns daher in den nächsten zwei, drei Jahren steigen wird. Wenn die Schwellen für den internationalen Tourismus wieder gesenkt werden, kann es auch eine Gegenbewegung geben.

Wir haben dafür etwas vorbereitet. Aktuell gründen wir einen Reiseveranstalter, den es in dieser Form in Norddeutschland noch nicht gibt. Bei einer Fernreise buche ich beispielsweise 19 Tage Rundreise durch Nordamerika oder durch Afrika. Nach gleichem Vorbild bietet unser neuer Reiseveranstalter Norddeutschland-Rundreisen an der Nord- und Ostsee im Zusammenspiel mit allen anderen touristischen Leistungsträgern in Form von Paketen an. Die großen Mitbewerber versuchen das schon länger, haben aber nicht den Zugriff auf die anderen Leistungsträger wie die Fährreederei zu den Ostfriesischen Inseln, zu kleinen Fluggesellschaften oder zum regionalen Käsehof. Der neue Reiseveranstalter wird unterschiedliche Angebote von der niederländischen über die dänische bis zur polnischen Grenze schnüren und damit erweitern wir unser Zielpublikum bis in den internationalen Bereich. Der neue Veranstalter ist unsere Antwort auf die Entwicklung in zwei bis drei Jahren, wenn möglicherweise internationale Gäste eine Rundreise entlang Deutschlands Nord- und Ostseeküste buchen wollen. Wir gehen davon aus, dass wir bereits im September an den Markt gehen.

Das klingt sehr spannend. Ein neuer Reiseveranstalter zusätzlich zu einer neuen Apartmentanlage in Großenbrode und dann halten sich in Carolinensiel hartnäckig Gerüchte, dass es dort bald auch ein neues Upstalsboom-Hotel geben wird.

Obwohl wir ein Hotel in Berlin verloren haben, sind wir 2020 bei den Kapazitäten um 30 Prozent gewachsen.  Dazu gehört unter anderem die Anlage in Großenbrode. Bei dem Projekt in Carolinensiel sind wir mit dem Investor nicht zusammengekommen.

Kommen wir noch einmal zurück zum Thema Corona: Was sagen Sie zu den aktuellen Verordnungen und zum Umgang mit dem Reisen? Sie leben ja schließlich von der Mobilität der Menschen.

Ich glaube, dass alles differenziert betrachtet werden muss. Wir hatten uns Ende 2020 schon darauf eingestellt, dass wir zu Beginn dieses Jahrs einen Verlauf haben würden wie im zweiten Quartal 2020. Das heißt, dass wir davon ausgehen, dass die Hotels an Pfingsten wieder öffnen dürfen. Bis dahin sind wir vollkommen entspannt. Wir haben keinen Druck. Künftig wird die Reise an sich die Herausforderung im Umgang mit Viren sein. Es ist nachgewiesen, dass Hotels durch bewährte Hygienekonzepte keine Infektionsherde sind. Die Virusmutation mit einer deutlich höheren Ansteckungsgefahr führt dazu, dass Hygienekonzepte weiter angepasst werden müssen. Wir erarbeiten daher aktuell erweiterte Hygienekonzepte, die das Leben mit der Mutation möglich machen.

Wir werden uns auch erst dann wieder an den Markt begeben, wenn wir einigermaßen Sicherheit haben, dass wir kontinuierlich und nachhaltig öffnen können. Im Zweifel lassen wir die Hotels besser zwei, drei Wochen länger geschlossen. Ich kann den Schrei nach Öffnungsperspektiven und verbindlichen Aussagen nicht so recht nachvollziehen und finde auch Aussagen einiger Minister eher unreif, die  kurzfristige Öffnungen in Aussicht stellen. Das Wechselbad der Gefühle von Hoffnung und Enttäuschung zermürbt die Menschen. Das finde ich unverantwortlich. Dann bin ich eher dazu geneigt, die Fristen länger zu lassen.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Sie haben im Laufe der Jahre eine Marke im Deutschland-Tourismus aufgebaut und Ihren ganz eigenen Weg zur Führung gefunden. Haben Sie Vorbilder in der Hotellerie oder in der Gesellschaft?

Ich bin kein Freund von Vorbildern; denn Vorbilder entfernen mich von dem, was wir sind. Wegweiser sind für mich wertvoller als Vorbilder. Wir wollen ja mehr werden, die wir sind, und nicht andere kopieren. Man muss seinen eigenen Weg gehen.

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