Ein Blick hinter die Kulissen der Borkumer Kleinbahn
In der aktuellen LUV und LEE zeigen wir auf über 20 Seiten die Vielfalt Borkums. Heute zeigen wir, was nötig ist, um das Verkehrsmittel in Schuss zu halten, das fast alle Urlauber vom Fährhafen in den Ortskern bringt. Die Borkumer Kleinbahn, das rollende Wahrzeichen der Insel.
Rudolf Munk ist Betriebsleiter der Borkumer Kleinbahn, einem Tochterunternehmen der Reederei AG Ems aus Emden, die seit 1843 den Fährbetrieb von und nach Borkum ab Emden oder dem niederländischen Eemshaven unterhält. Der gebürtige Emsländer lebt seit 25 Jahren auf der Insel und leitet die Werkstatt, in der neben den Zügen der Kleinbahn auch ein halbes Dutzend Busse und ein Dutzend Transporter und Lkw für die Inselversorgung gewartet werden. Der heute 51-Jährige wechselte für die Arbeit auf der Insel von Lorup, einem Dorf im Emsland, und hat den Umzug nie bereut. „Es ist nicht einfach nur die technische Verwaltung; wir beschäftigen uns mit allem, was in Emden oder Eemshaven an Fracht aufgegeben wird. Von der Zahnprothese bis zu den Lebensmitteln für Insulaner und Hotels“, erklärt Munk. Zu Spitzenzeiten bewegt die Borkumer Kleinbahn bis zu 500 Koffer und 40 Tonnen Frachtgut am Tag.
Der sechswöchige Stillstand der Bahn wegen der Corona-Pandemie war in der Geschichte der Kleinbahn, die bis in das Jahr 1885 zurückreicht, einmalig seit Ende des Zweiten Weltkrieges und der Sturmflut im Jahr 1962. „Natürlich wurden mal die Gleise erneuert, aber auf einem der beiden Gleise fuhr eigentlich sonst immer ein Zug“, sagt Munk.
Bahn wurde beim Bau des Borkumer Leuchtturms benötigt
Die Ursprünge der Bahn reichen bis 1879, als für den Bau des Neuen Leuchtturms auf einer Pferdetrasse vom Hafen zur Baustelle die Materialien für den Leuchtturm transportiert wurden. 1885 wurde eine Konzession zum Betrieb einer Eisenbahn nach dem Preußischen Eisenbahngesetz erteilt und ab 1887 entstand daraufhin die Bahn nach den Plänen eines Leeraners für den Lokomotivbetrieb. Eine Trasse von der Anlegestelle der Fähren bis in den Ort entstand und machte so ab 1888 den Weg frei für die Entwicklung Borkums zum Seebad.
Als die Sturmflut von 1962 die Trasse schwer beschädigte, gab es, so erzählt Rudolf Munk, Überlegungen, auf einen Busshuttle zwischen Hafen und Borkumer Stadtkern umzustellen. „Da aber immer größere Schiffe mit immer mehr Passagieren ankommen, hätte das gar nicht bewältigt werden können. Heute fahren wir in der Hochsaison mit drei Zuggarnituren“, erklärt Munk.
Historische Züge noch heute im Einsatz
Zum Einsatz kommen noch heute Züge aus dem Baujahr 1904, der älteste Waggon der Borkumer Kleinbahn stammt sogar aus dem Jahr 1889. Er wird als Teil des Nostalgiezuges regelmäßig mit der zweiachsigen Dampflokomotive „Borkum“ aus dem Jahr 1942 eingesetzt. Die Lok wurde einst in Berlin gebaut, stand nach ihrer Ausmusterung als Denkmal neben dem Borkumer Kurhaus, ehe sie in den 1990er Jahren wieder fahrtüchtig gemacht und von Kohle- auf Leichtölfeuerung umgestellt wurde. Teil des Zuges ist auch der sogenannte „Kaiserwagen“ aus dem Jahr 1905. Der Salonwagen versprüht auch in der etwas schummrigen Halle der Borkumer Kleinbahn den Charme vergangener Jahre. In diesem besonderen Wagen heiraten heute bis zu zehn Paare im Jahr. Die Ausstattung ist noch im Originalzustand der Zeit, als er einst für Besuche des Kaisers gebaut wurde.
Der Fuhrpark der Borkumer Kleinbahn wird heute von den insgesamt 80 Werkstattmitarbeitern laufend instandgehalten. An diesem Nachmittag befindet sich in der Halle südlich des Bahnhofskopfes ein Waggon aus dem Jahr 1918, der Munk zufolge Stück für Stück restauriert wird. 1993 wurden zwei Wagengarnituren mit jeweils acht Waggons und einem Gepäckwagen nach den Plänen der ersten Züge der Borkumer Kleinbahn gebaut. So haben sie das Erscheinungsbild von einst mit den bei Borkum-Urlaubern so beliebten Außenplattformen.
„Es ist nicht irgendeine Museumsbahn oder ein Nostalgiezug, sondern ein richtiges Verkehrsmittel und dahinter steckt ein hochmoderner Logistikbetrieb.“ – Rudolf Munk
„Unsere Auszubildenden fangen nicht einfach in irgendeiner Lkw-Werkstatt an; sie kommen mit allem in Kontakt, was sich irgendwie bewegt und erleben die Vielseitigkeit von Anfang an“, schwärmt Rudolf Munk. Er kann sich keine andere Arbeit als die bei der Borkumer Kleinbahn vorstellen, „denn es ist nicht irgendeine Museumsbahn oder ein Nostalgiezug, sondern ein richtiges Verkehrsmittel und dahinter steckt ein hochmoderner Logistikbetrieb.“
Wer einmal einen Blick hinter die Kulissen des rollenden Wahrzeichens der Insel werfen möchte, kann über die AG Ems, die seit 1903 Mutterunternehmen der Kleinbahn ist, Führungen durch die Werkstatt buchen. Dabei lernen Eisenbahnliebhaber Rudolf Munk zufolge die langjährige Geschichte der Inselbahn in 1,5 Stunden hautnah kennen. Die Führungen beginnen jeweils um 14 Uhr an der Werkstatt im Betriebshof der Borkumer Kleinbahn. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl ist eine vorherige Reservierung am Fahrkartenschalter im Inselbahnhof notwendig.
Die Tickets kosten 20 Euro pro Person und gelten für Führungen an folgenden Terminen: 21. August, 4. September, 2. Oktober, 16. Oktober. Weitere Informationen unter www.borkumer-kleinbahn.de.
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