In der aktuellen Ausgabe von LUV&LEE geht es in einem Special um besondere Orte für eine Herbst-Auszeit. Das ehemalige Hotel „Deichgraf“ der Emder Hotelgruppe „Upstalsboom“ in Wremen wurde 2019 kernsaniert, zum „Upleven“ umgestaltet und 2020 eröffnet. LUV&LEE-Chefredakteurin Janina Assies war zu Gast in dem Hotel der völligen Stille und hat mit den Gründern Bodo Janssen und Oliver Scheit über Konzept, Idee und Vision gesprochen.

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Das Hotel "Upleven" in Wremen. JA-Foto
Das Hotel „Upleven“ in Wremen. JA-Foto

Die Grundphilosophie von Upstalsboom-Gründer Bodo Janssen war und ist es, Menschen zu stärken. Das gilt für die zahlreichen Hotels und Ferienanlagen an Deutschlands Nord- und Ostsee, aber auch für seine Mitarbeiter. Mit dem „Upleven“ hat das Unternehmen jetzt ein Angebot geschaffen, das ruhesuchenden und gestressten Gästen den Weg zu sich selbst ermöglicht.

„Das ‚Upleven‘ hat ein bisschen was von einem Gewächshaus. Es handelt sich einen äußeren Raum, in dem inneres Wachstum entstehen kann. Das ist nötig, weil wir im Alltag von allem zu viel erleben: zu viel Lärm, zu viel Werbung, zu viel Kommunikation“, macht Bodo Janssen im Gespräch mit LUV&LEE deutlich. Das „Upleven“ begegne dem mit wenig; mit einer strukturierten Ordnung, klaren Tagesabläufen und der Reduzierung von allem. „Unsere Gäste sollen so wenig wie möglich entscheiden müssen. Es geht nicht um den Luxus, sondern um den Fokus auf das, was da ist“, erklärt der Emder.

Ein geschützter Bereich für Menschen, die erfahren wollen, wohin der Weg für sie weiterführt

Führt das "Upleven": Oliver Scheit. JA-Foto
Führt das „Upleven“: Oliver Scheit. JA-Foto

Oliver Scheit ist einer von 13 Beschäftigten im „Upleven“. Die Bezeichnung „Hoteldirektor“ gibt es hier nicht. Scheit ist Quereinsteiger in der Hotellerie, kam selbst 2016 an einen Wendepunkt in seinem Leben, wie er sagt, und ging ins Kloster, um zu sich selbst zu finden. Danach kam er mit Ideen für ein besonderes Hotel zu Bodo Janssen. „So ergab es sich, dass wir 2018 gemeinsam beschlossen, das ‚Upleven‘ zu dem zu machen, was es ist: ein geschützter Bereich für Menschen, die durch einen Aufenthalt bei uns erfahren wollen, wohin der Weg für sie weiterführt.“

Jetzt nutzen viele Gäste den Aufenthalt in dem Haus am kleinen Hafen von Wremen dazu, ernsthaft an einer Veränderung ihres Lebensstils zu arbeiten. „Ein Gang ins Kloster schreckt viele ab. Das ‚Upleven‘ ist ein Ort, der nichts mit religiösem Background zu tun hat. Es ist durch die Meditationen und die Stille eine Kombination zwischen Kloster und Hotel“, sagt Scheit. Es gebe keine Definition für das Konzept hinter dem „Upleven“. „Bei uns ist weniger einfach mehr und die Stille soll der Türöffner zu uns selbst sein.“

So die Philosophie. Klingt interessant, ich bin gespannt auf meine Reise ins Upleven. Zwei Stunden mit dem Auto sind es durch die Wesermarsch, über die Autobahn 28 und vorbei an scheinbar endlosen Feldern und durch kleine Dörfer bis nach Wremen. Der Ort liegt zwischen Bremerhaven und Cuxhaven und ist vor allem von Landwirtschaft und Krabbenfischerei geprägt. 2000 Einwohner zählt das Dorf, das leicht verschlafen wirkt. Am Hafen werden aus kleinen Buden Fischbrötchen, Snacks und Getränke verkauft, der Leuchtturm überragt die einzigartige Natur, die von den Gezeiten geprägt ist.

Unterwegs in Socken oder Hausschuhen

Das „Upleven“ liegt steht quasi auf dem Deich. Zum Check-In muss erst einmal geklingelt werden. Die Tür ist verschlossen, um Neugierige und Tagesgäste des Ortes, die auf der Suche nach einer offenen Gastronomie sind, draußen zu halten. Das wird mir später erklärt. Die Ruhe innerhalb des Hauses ist das A und O.

Erst einmal angekommen, fühle ich mich schon wie an einem anderen Ort. Der Check-In Bereich besteht nicht, wie üblich, aus einem langen Tresen, sondern vor mir sitzen zwei junge Frauen an einem Schreibtisch, die mich charmant anlächeln und mich willkommen heißen. Sie erklären mir kurz ruhig, wie ich mich im Haus zurechtfinde, und zeigen mir gleichzeitig im Eingangsbereich Körbe mit Schuhen: Im „Upleven“ haben Straßenschuhe nichts verloren, von jetzt an laufe ich auf meinen Socken oder mit Hausschuhen weiter. Gleichzeitig kann ich mir meine eigene Tasse aussuchen; denn es gibt hier jederzeit kostenlos Getränke wie Wasser, Tee und Kaffee.

Ob ich eine Einführung in die Meditation brauche, fragt mich eine der beiden Frauen. Intuitiv flüstere ich, dass das nicht nötig sei.

Mein Zimmer für die kommende Nacht liegt im ersten Stock mit einem herrlichen Blick auf die Nordsee. Es ist Flut und am Horizont sehe ich einige Kitesurfer, die sich vom Wind über die Wellen ziehen lassen, und ein Schiff, das offenbar vor wenigen Minuten die Containerbrücken von Bremerhaven hinter sich gelassen hat.  Das Zimmer ist einfach, aber mit allem, was nötig ist, ausgestattet. Einen Fernseher gibt es nicht, ebenso keinen WLAN-Zugang. Prinzip: absolute Reduzierung auf das Wesentliche. Neben einem großen Bett stehen zwei Hocker in Richtung Meer gerichtet. Meine persönlichen Sachen kann ich in einem kleinen Kleiderschrank verstauen. Das Zimmer hat die Grundfläche eines Standard-Hotelzimmers und wirkt optisch etwas leer. Auch bei der Einrichtung gilt: Verzicht auf alles Überflüssige.

Sechs Meditationszeiten inklusive

Meditationsraum. PR-Foto
Meditationsraum. PR-Foto

Um 12 Uhr findet an diesem Tag eine geführte Meditation statt. Der Meditationsraum befindet sich in der dritten Etage, einst war hier der Wellnessbereich des Hotels „Deichgraf“ mit Saunen. Für das „Upleven“ wurde der Bereich entkernt und neugestaltet. Insgesamt gibt es sechs Meditationszeiten – davon eine geführte Sitzung. Zugegeben, zunächst war ich innerlich etwas unruhig und musste auch erstmal auf dem kleinen Sitzsack eine angenehme Position finden, aber nach kurzer Zeit kam auch ich zur Ruhe und war ganz zufrieden mit meiner ersten Meditation.

 

 

 

Der Speisesaal im "Upleven". Zum Konzept gehören gemeinsame Mahlzeiten zu festen Zeiten. PR-Foto
Der Speisesaal im „Upleven“. Zum Konzept gehören gemeinsame Mahlzeiten zu festen Zeiten. PR-Foto

Dreimal am Tag kündigt eine Glocke im Erdgeschoss, die durch das ganze Haus schallt und die Ruhe durchbricht, die Mahlzeiten an. Im „Upleven“ essen alle Gäste gemeinsam an langen Tischen. Entweder kommt man leise ins Gespräch oder man schweigt. Wer lieber still essen möchte, kann sich an einen gesonderten Tisch zurückziehen, oder er heftet eine spezielle Brosche an, die signalisiert, dass er seine Zeit genießen möchte, ohne zu sprechen. Nach meinem ersten Mittagessen habe ich etwas Zeit, um mir die Gegend um das Hotel anzuschauen. Nach fünf Minuten zu Fuß stehe ich am Meer und am Hafen. Ein kleiner Fußweg schlängelt sich in Richtung Leuchtturm und Watt. Ich stehe am Wasser und bin dort zunächst der einzige Mensch weit und breit. Ich liebe diese flache Landschaft, auf den ersten Blick einsam, aber im Watt auch voller Leben. Auf dem Rückweg sehe ich, wie die kleinen Buden am Hafen öffnen, und beschließe spontan, noch etwas zu trinken. Mittlerweile füllt sich der Hafenbereich mit weiteren Menschen – Touristen und Einheimische gleichermaßen.

Zurück im Hotel ist es fast schon Zeit zum Abendessen. Das „Upleven“ hat sich etwas gefüllt, sodass alle um 18.30 Uhr gemeinsam an großen Tischen essen, während draußen die Sonne untergeht. Fast alle schweigen. Wer übrigens beim Essen etwas nicht verträgt oder nicht mag, kann direkt mit dem Koch sprechen und bekommt ein individuelles Essen zubereitet. Später verbringe ich noch einige Zeit in der Bibliothek, die eines der Schmuckstücke des Hauses ist. Auch hier herrscht eine derartige Stille, dass ich das Rauschen meines Blutes im Ohr habe. Faszinierend und eindrucksvoll.

Rückzugsort zu jeder Zeit: Die Bibliothek. PR-Foto
Rückzugsort zu jeder Zeit: Die Bibliothek. PR-Foto
Zurück auf dem Zimmer genieße ich noch ein wenig meinen Balkon und lausche dem Rauschen des Meeres mit einem guten Buch. Ich merke, wie sich die Ruhe des Tages in meinem Körper ausgebreitet hat, und gehe zufrieden zu Bett. Lange habe ich in den vergangenen Wochen nicht mehr so tief und fest geschlafen.

Am nächsten Morgen weckt mich um kurz nach sieben pünktlich die Glocke aus dem Erdgeschoss zum Frühstück, das von 7.15 Uhr bis 8.00 Uhr gereicht wird. Eine ungewöhnliche Zeit, aber auch das gehört zum Konzept. „Die gemeinsamen Mahlzeiten gehören bei uns zum Tagesablauf“, erklärt Oliver Scheit.

Nach dem Frühstück bleibt mir noch etwas Zeit, um das Haus zu genießen, spazieren zu gehen und zu lesen. Nach einem weiteren gemeinsamen Mittagessen endet meine Zeit im „Upleven“. Schade, denn ich fühle mich wirklich wohl und wäre gerne noch geblieben. Hier kommt man wirklich zur Ruhe. In einer ganz anderen Dimension.

Das „Upleven“ mit den anderen Häusern von Upstalsboom zu vergleichen ist in etwa so, wie eine Parallele zwischen Niedersachsen und Bayern zu suchen – sehr schwierig. Der Gast muss sich vollständig auf das Konzept einlassen. Wenn man das geschafft hat, ist dieses ungewöhnliche Hotel ein Ort, an den man gerne und immer wieder zurückkommen möchte.

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