LUV&LEE-Interview mit Chef der neuen Tourismus-Agentur Nordsee

Von Wilhelmshaven aus will der neue Tourismusdachverband, die „Tourismus-Agentur Nordsee GmbH“, kurz TANO, ab sofort die Region von der niederländischen Grenze bis zur Elbe touristisch vermarkten. Dabei will das Team um Geschäftsführer Mario Schiefelbein in sieben Landkreisen und zwei Städten Ressourcen bündeln und Lösungen für Probleme finden.

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Der Chef ist Mario Schiefelbein, der zuvor die Bochum Marketing GmbH leitete und davor federführend in Marketing und Markenbildung in Gotha, Löningen, Hameln und auf Spiekeroog arbeitete. Der gebürtige Kieler ist in Cuxhaven aufgewachsen und lässt sich demnächst in Jever heimisch nieder. Im Interview für die aktuelle LUV&LEE-Ausgabe spricht der 57-Jährige über die Zukunft des Tourismus in der Region und Bemühungen sowie Ausblicke in Sachen Nachhaltigkeit.

Mario Schiefelbein ist Geschäftsführer der neuen Tourismus-Agentur Nordsee (TANO). Foto: Andreas Molatta
Mario Schiefelbein ist Geschäftsführer der neuen Tourismus-Agentur Nordsee (TANO). Foto: Andreas Molatta

LUV&LEE: Die neue Tourismus-Agentur Nordsee GmbH (TANO): Was ist das eigentlich genau? Beschreiben Sie uns bitte die neue Institution.

Mario Schiefelbein: Erstmals existiert eine touristische Dachorganisation, die die gesamte niedersächsische Nordseeküste inklusive der Seestadt Bremerhaven vermarktet – also auf dem Breitengrad 53° Nord von der niederländischen Grenze bis kurz vor Hamburg. Mit einer Fläche von gut 5.400 Quadratkilometern und mit rund 16,3 Millionen Übernachtungen vor Corona handelt es sich um eine der wichtigsten Tourismusmarken Deutschlands. Die TANO kümmert sich neben dem Marketing um das Destinationsmanagement. Diese nach innen gerichteten Tätigkeiten umfassen Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Mobilität, Fördermittelakquise oder Fachkräftegewinnung. Wir kuratieren, bauen Brücken und kooperieren. Wichtig ist, dass die gesamte Region möglichst mit einer Stimme spricht und dass wir groß und schlagfertig werden.

 

Online finde ich noch die Domain die-nordsee.de. Wie grenzen Sie sich dazu ab?

Die TANO wird nicht von einigen wenigen touristischen Organisationen, sondern von sieben Landkreisen sowie den beiden Städten Wilhelmshaven und Bremerhaven als Gesellschafter getragen. Darüber hinaus gibt es verschriftlichte Kooperationen mit der Ostfriesland Tourismus GmbH wie auch die Nordsee GmbH und die Ostfriesische Inseln GmbH. Für die Kommunikation innerhalb der Region bauen wir zurzeit die B2B-Website www.tano.travel auf, eine weitere Seite für den Endverbraucher wird kurze Zeit später folgen. Letztere gibt Impulse für den potenziellen Gast und verlinkt zu unseren zahlreichen Partnern.

 

Wie sieht aus Ihrer Sicht der Tourismus der Zukunft in unserer Region aus?

Gerade bei uns an der Nordsee wird der Schutz von Natur und Landschaft mehr denn je im Mittelpunkt unseres Handelns stehen müssen. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir Naturräume nachhaltig inszenieren und das Naturerbe emotional aufladen. Es geht dabei um Erlebnisse und nicht unbedingt um Beschilderungen. Produktentwicklung ist damit ausdrücklich nicht gemeint, denn da endet tatsächlich unsere Möglichkeit einzugreifen. Bei 68 Partnern, die wir haben, kriegen wir es nicht hin, da zu steuern. Was wir aber machen können, und das möchte ich auch gerne: einen Anstoß geben. Das kann mit einer Veranstaltung geschehen, die über die gesamte Region, zum Beispiel an einem Wochenende oder in einer Woche, stattfindet. Wir sind aktuell dabei.

 

Durch Corona erlebte der Urlaub im eigenen Land einen wahren Boom, die Küstenorte und Inseln ächzten aber schon vorher manchmal unter dem Ansturm. Ist Overtourism hier mittlerweile ein großes Thema?

Es ist wichtiger denn je, das Destinationsmanagement aus Sicht der Einheimischen zu denken. Wir sprechen dann von Lebensraum-Politik. Das Ziel ist nicht, immer mehr Touristen in die Region zu holen, sondern eine höhere Wertschöpfung zielgerichteter zu erreichen. Es sind Maßnahmen gefragt, die die Tourismusakzeptanz auf der einen Seite und das Verständnis für Schutzmaßnahmen auf der anderen erhöhen. Auch eine konkrete Vermarktung von Frühjahr und Herbst soll bei der Entzerrung helfen, bedingt jedoch, dass bestimmte Angebote auch in der Nebensaison vorgehalten werden.

 

Wie wollen Sie Gästeströme zukünftig steuern? Ebenfalls durch die Pandemie sind für viele Menschen Ansammlungen von Menschen abschreckend.

Wir sollten den ÖPNV durch attraktive Angebote fördern, so dass Gäste mit dem Zug anreisen und sich mit Bus und Bahn innerhalb der Region bewegen. Einzelne Maßnahmen, wie die elektronische Besucherlenkung als Pilotprojekt in einigen Küstenorten, können bei der Entzerrung helfen. Der Ausbau und die Stärkung des ÖPNV in der gesamten Region ist ein riesiges Brett mit Arbeit. Das Thema „Nachhaltigkeit“ und nachhaltiges Handeln wollen wir in jedem Fall weiter fördern und wollen für Projekte auch Fördermittel generieren.

 

Nachhaltiges Handeln wird immer mehr zum Thema in der Gesellschaft. Wird das hier schon bis zu den Gastgebern gelebt?

Es gibt schon so manch gutes Beispiel aus der Region, wie die Carsharing-Initiative Nordseeflitzer, Upcycling in Dornumersiel, das gesamtheitliche Nachhaltigkeitskonzept eines Landhotels im Wangerland und die Nationalpark-Partnerschafts-Initiative oder die Zertifizierung der Jugendherberge auf Norderney. Gerade die Inseln sehe ich hier in mancher Hinsicht als Vorreiter.

 

Norderney oder Borkum sind beispielsweise für Autos befahrbar, Baltrum oder Juist nicht. Auf den Inseln, wo Autoverkehr herrscht, werden die Parkplätze immer voller. Ist es an der Zeit, hier einzugreifen und den Autoverkehr zu steuern?

Die TANO ist nicht in der Position, hier einzugreifen oder gar zu steuern. Wir sind jedoch in der Lage, einen autofreien Urlaub stärker zu vermarkten. Mehr kann ich dazu noch gar nicht sagen. Wir sind in einem guten Austausch mit den Inseln.

Blick auf den Strand von Borkum. CA-Foto
Blick auf den Strand von Borkum. CA-Foto

E-Bikes ersetzen in einigen Haushalten mittlerweile schon den Zweitwagen. Eines zu mieten ist z. B. auf einer Insel schon ein Luxus, wenn man sich die Preise anschaut. Muss man hier aus dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht in irgendeiner Form umdenken?

Preise werden in der Regel von Angebot und Nachfrage gesteuert. E-Bikes können bekanntlich so teuer sein wie ein Kleinwagen. Wer sich in seinem Urlaub ein Rad leihen möchte, der entscheidet selbst, ob er bereit ist, den dafür aufgerufenen Preis zu zahlen. Als Alternative gibt es den mit Muskelkraft betriebenen Drahtesel, der in der Regel um einiges günstiger ist.

 

Kommen wir auf das Festland, wo das LNG-Terminal in Wilhelmshaven gerade die Gemüter erhitzt und bundesweit in den Medien ist. Wirkt sich die Debatte und die Anlage selbst aus Ihrer Sicht nachteilig auf den Tourismus aus?

Zunächst einmal bekommt Wilhelmshaven durch das Terminal bundesweit Aufmerksamkeit, die es zu nutzen gilt, um andere Angebote zu vermarkten. Ich habe bislang nicht mitbekommen, dass das Image der Stadt durch die Berichterstattung gelitten hat, schließlich gilt Wilhelmshaven nicht primär als Destination für einen Badeurlaub, sondern für einen Städteurlaub am Meer. Das Thema ist grundsätzlich noch zu frisch, um Auswirkungen auf den Tourismus nachvollziehen zu können.

Das Interview führte Christoph Assies.

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