„Es ist eine Herausforderung, die Gefahr durch Corona näherzubringen“
LUV&LEE-Interview mit Anna Strohschnieder-Tammen, Leiterin des Johannesstifts
Die Corona-Pandemie stellt auch für den Pflegesektor eine Ausnahmesituation dar. LUV&LEE hat mit der Leiterin des Seniorenheimes Johannesstift in Papenburg darüber gesprochen, wie die Altenpflege in Papenburg in diesen Zeiten läuft.
LUV&LEE: Frau Strohschnieder-Tammen, hinter Ihnen liegen sicher sehr turbulente Wochen und wir wissen alle noch nicht so recht, was noch kommt, daher zunächst: Wie geht es Ihnen?
Anna Strohschnieder-Tammen: Momentan geht es mir und den Mitarbeitenden im Johannesstift in Papenburg ganz gut. Wir sind alle gesund und das ist das Wichtigste! Die letzten Wochen waren für alle Beteiligten wirklich sehr turbulent – vor allem in der Anfangsphase der Pandemie war die Ungewissheit spürbar.
Wie haben Sie die Entwicklung der Corona-Pandemie bei Ihrer täglichen Arbeit erlebt?
Die Meldungen, die gefühlt stündlich veröffentlicht und immer wieder aktualisiert wurden, haben viel Platz in unserer täglichen Arbeit eingenommen. Auf festgelegte Maßnahmen mussten wir möglichst schnell reagieren, um diese nach den Richtlinien der Landesregierung, des Landkreises Emsland und des Robert-Koch-Instituts zeitnah umzusetzen.
Wie ist die Stimmung unter Ihren Mitarbeitern? Auf der einen Seite müssen alle wie sonst Ihrer Arbeit nachgehen, auf der anderen Seite steht vielleicht die Angst vor dem Virus. Wie gelingt der Spagat?
Die Stimmung ist gut und wir halten alle zusammen. Dieses Teamgefühl weiß jeder zu schätzen und wir möchten es auf keinen Fall missen. Dadurch rückt die Angst vor dem Virus eher in den Hintergrund. Oberste Priorität hat bei uns der Infektionsschutz. Um diesen zu gewährleisten, handeln alle Mitarbeiter in den Einrichtungen in Dörpen und Papenburg sowohl beruflich als auch privat umsichtig und stellen die eigenen Interessen ein Stück weit hinten an. Zum Beispiel vermeiden sie es, zu Stoßzeiten in einen Supermarkt zu gehen. Darüber hinaus wird der sowieso schon eingeschränkte Kontakt im privaten Umfeld soweit es geht minimiert, damit das Virus nicht in die Einrichtung getragen wird.
Ihre Bewohner sind in diesen Wochen quasi von der Außenwelt abgeschnitten, können Angehörige nicht sehen. Wie gestalten Sie diesen doch sehr neuen Alltag für die alten Menschen?
Für Bewohner, Angehörige und Mitarbeitende hinterlässt das Besuchsverbot im Alltag viele Spuren. Angehörige bringen Briefe und Gebasteltes vorbei, worüber sich die Bewohner sehr freuen. Wir versuchen zudem, die Videotelefonie per Skype für viele Bewohner mit Angehörigen zu ermöglichen. Wir sehen, dass es einigen Bewohnern schwer fällt, auf Gottesdienste zu verzichten. Die Damen und Herren, die den Krieg miterlebt haben, sind sehr religiös.
Einige Bewohner sind noch mobil, machen sicher regelmäßige Spaziergänge. Wie vermitteln Sie die Gefahr durch Corona?
Es ist eine Herausforderung, den dementiell erkrankten Bewohnern die Gefahr durch Corona und die dadurch veränderten Abläufe näher zu bringen. Das Motto lautet: reden, reden, reden und immer wiederholen.
In Medienberichten wird immer wieder, gerade in Zeiten von Corona, über die Bezahlung von Pflegefachkräften gesprochen. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Die Vergütung von Pflegekräften ist kein einfaches Thema; das war es auch vor der Corona-Pandemie nicht. Der mediale Druck ist mittlerweile so groß geworden, dass ich es als Chance sehe, dass das Berufsbild der Pflegefachkraft von der Gesellschaft neu betrachtet, vielleicht auch anders wahrgenommen wird und langfristig mehr Anerkennung gewinnt. Das wäre schön!
Die Bundesregierung hat Sonderzahlungen für Mitarbeiter in der Pflege in Höhe von bis zu 1000 Euro beschlossen. Ausreichend, angemessen oder ein Tropfen auf den heißen Stein?
Die Mitarbeitenden im Johannesstift freuen sich natürlich über eine Sonderzahlung. Dennoch sollte eine andauernde Wertschätzung bei allen als „systemrelevant“ bezeichneten Berufsgruppen geregelt werden. Bei der Sonderzahlung ist es meines Erachtens wichtig, dass niemand vergessen wird. In vielen Bereichen fällt zusätzliche Arbeit an, unter anderem bei unseren Hauswirtschaftlern, in der Verwaltung und auch für unsere Reinigungskräfte.
Haben Sie erlebt, dass einige Ihrer Mitarbeiter durch das Zusammenspiel von noch strengeren Hygienevorschriften und Arbeitsbelastungen in diesen Wochen an ihre Grenzen gekommen sind?
Einzelne Arbeitsabläufe, die vor der Krise routinemäßig erfolgten, nehmen nun aufgrund der strengeren Vorschriften viel Zeit in Anspruch. Dabei geht es nicht nur um das Umsetzen diverser Maßnahmen, sondern auch um die Betreuung der Bewohner. Gruppenaktivitäten müssen vermieden werden. Folglich verbringen die Mitarbeitenden die meiste Arbeitszeit mit Einzelbetreuung (z.B. durch Spaziergänge), wodurch die Arbeitsbelastung wesentlich höher ist als zuvor.
Seit Wochen zeigen die Mitarbeitenden sehr viel Engagement und Eigeninitiative. Gemeinsam wurden Lösungen gesucht und Konzepte erarbeitet. Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft untereinander wurden immer größer, sodass die Belastung durch das „Wir-Gefühl“ gut aufgefangen wurde.
Die Kurzzeitpflege ist in Coronazeiten nicht möglich. Dadurch ergeben sich aber auch Schicksale; denn die Notwendigkeit einer professionellen Pflege verschwindet ja nicht durch Corona. Ist so eine Regel vom Gesetzgeber zu Ende gedacht?
In den Johannesstiften ist die Kurzzeitpflege unter strengen Auflagen möglich. Es muss ein Einzelzimmer mit Nasszelle vorhanden sein, in dem der Bewohner vorerst für eine 14-tägige Quarantäne aufgenommen werden muss. Durch die verbundsübergreifende Zusammenarbeit in der St. Hospitalgesellschaft wurden im Hümmling Hospital Sögel und im Matthias Haus Lohne zentrale Aufnahmemöglichkeiten für die Kurzzeitpflege unter den o. g. Auflagen geschaffen.
Anmerkung: Die Antworten beruhen auf den Regelungen im Umgang mit dem Coronavirus zum Redaktionsschluss am 6. Mai.
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